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21.09.2010

Potsdamer Brocken

Die Schwerlasttagung in Potsdam ist bei Kran- und Schwerlastlogistikern als Termin gesetzt, ein Besuch lohnt sich immer.

ALLGEMEINES
Doch um es gleich vorwegzunehmen: Leider trüben das Bild immer wieder einige Referate, die es sich nicht nehmen lassen, ausschließlich auf ihr Unternehmen, ihre Produkte, ihre Dienstleistungen abzuheben statt einfach die Vorteile der Art der Maschine oder Dienstleistung in den Vordergrund zu stellen, also ein kleines bisschen zu abstrahieren – weg vom Ego. Reihenweise gegen die Müdigkeit ankämpfende Gesichter im Publikum sprechen eine deutliche Sprache. Auch Organisator Prof. Jürgen-Michael Poelke und das Niveau der Veranstaltung leiden darunter.

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Roland Hennig berichtete über den Aufbau der neuen Offshore-Basis Cuxhaven,


OFFSHORE-WINDKRAFT
Den ersten Block bildete die Windenergie in der Offshore-Ausführung. Roland Hennig von der Strabag Offshore Wind, einer 100%-igen Tochter der österreichischen Strabag SE, berichtet über den Aufbau und die geplante Inbetriebnahme eines neuen Werkes in Cuxhaven, in dem Windenergieanlagen auf Schwerkraftfundamenten gefertigt und montiert werden sollen.

Dass diese kein Pappenstiel sind, liegt auf der Hand: Bis zu 7.500 Tonnen bringt ein derartiges Fundament zusammen mit Windenergieanlage, Gondel, Nabe und Rotor auf die Waage - bei Aufbauhöhen bis zu 200 Meter. Ab 2011 soll in Cuxhaven gebaut werden, dazu gehört auch ein neuer Hafen direkt an der Elbe.

Der Belgier Edwin van de Brug bewältigt in beeindruckendem Tempo und mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit in der - für ihn - Fremdsprache Deutsch seine Last-Aufgabe, indem er Installationskonzepte für Windkraftanlagen auf See vorstellt. Welche Dimensionen er gewohnt ist, veranschaulicht seine Einschätzung: Eine ziemlich kleine Turbine. Er meint eine 3-MW-Turbine mit einem Gewicht von 233 Tonnen. Klar, verglichen mit den jetzigen, 500 Tonnen schweren 5-MW-Turbinen leuchtet dies natürlich ein. Zudem bereits an 6-MW-Turbinen gewerkelt wird - mit sage und schreibe 757 Tonnen Gewicht...

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Edwin van de Brug von Ballast Nedam Offshore komplettierte den Windkraft-Block


Mittlerweile schaffen es Unternehmen wie Huisman, eine Turbine in 1 bis 2 Tagen zu montieren. Zum Vergleich: Bis 2008 waren hierfür noch 11 Tage nötig. So spricht auch Prof. Poelke rückblickend von niedlichen Dimensionen damals. Anschließend berichtet Gerd Mansfeld von Industrial Maritime Chartering über die Verfügbarkeit von Schwerlastschiffen. Das Hauptsegment bilden die Heavy-Lift-Schiffe, von denen es zur Zeit 437 Stück gibt. Bereits 2012 werde ihre Zahl über 500 liegen, so Mansfeld. Auch in der Schwergutschifffahrt geht der Trend zu höheren Kranklassen. Projektmanagement hat sich anschließend Jürgen-Michael Poelke auf die Fahnen geschrieben.

PROJEKTE & EINSÄTZE
Hochinteressante Projekte, die erfolgreich gemanagt wurden, stellt Daniel Junker von der VSL Schweiz AG vor. Von der „langsamsten Baustelle im Mittleren Osten“ über das Marina Sands in Singapur bis hin zu Taktschiebebrücken zwischen zwei Tunneln (in Spanien) reicht die Bandbreite seiner ruhig, sympathisch und launig vorgetragenen Einsatzberichte. Dabei kommen neben Kranen häufig Litzenhubelemente zum Einsatz. In Singapur beispielsweise musste ein gigantisches Deck mit 4.000 Tonnen Hebetechnik in zwei Teilen simultan mit 20 Metern pro Stunde auf das 55. Stockwerk eines Casinos gehoben werden.

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Die Podiumsdiskussion wurde ihrem Namen nicht gerecht: Die Vertreter der Mobilkranhersteller beschränkten sich darauf, ihre Modelle vorzustellen


Wie Playmobil-Figuren müssen Thomas Thielen von Unic da „seine“ Minikrane vorgekommen sein, mit denen die Tagung ihr Lastspektrum nach unten erweitert hat. Deutschland ist Europas stärkster Markt für Minikrane. Jürgen Bäsel von Hirschmann Automation and Control geht daraufhin der Frage nach: „Warum brauche ich innovative Bausteine für die Automatisierung einer mobilen Maschine?“, während in den Pausen Countrysongs aus den Lautsprechern perlen.

Inhaltlich fährt anschließend Markus Rohde die Regler hoch. Der Geschäftsführer von Riedl + Tschierschke aus der Riedl-Gruppe schildert lebhaft, fast atemlos ein nahezu unmögliches Projekt: Syktyvkar. In die gleichnamige russische Stadt zwischen Archangelsk und Perm musste nämlich eine Dampfturbine samt Generator transportiert werden, Gesamtgewicht über 400 Tonnen - mit Luftkissen, Hubgerüsten, Litzenhub und, und, und...

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Über 200 Teilnehmer verzeichnete die Tagung


Wie ein ungeschriebenes Pflichtenheft liest sich dabei die Liste der spontan auftretenden Probleme: Sprachschwierigkeiten, Dokumentationsprobleme und lange Frostperioden - kaum sind letzere eingeplant, beginnt es wider Erwarten zu tauen, und der Boden ist nicht mehr fest genug... Selbst Arbeitsbühnen mussten aus Tausenden Kilometern Entfernung mitgebracht werden, ebenso die Anschlagmittel, berichtet Rohde. Doch gelegentlich verblüfft er mit einfachen Lösungen: „Ganz viele Probleme kann man in Russland mit einem Stempel lösen!“ Wenige Wochen vor Montagestart hieß es auf einmal, es dürfe keine eigenes Personal eingesetzt werden - doch auch diese Hürde hat das Team gemeistert. Ein Wahnsinnsprojekt.

Zwei Mammutprojekten widmet sich auch Peter Libert von Sarens, „das eine schwer, das andere mittelschwer“, so der Belgier süffisant. Er konzentriert sich auf zwei Minenprojekte in Neukaledonien, Goro Nickel und Koniambo. Bei ersterem waren sechs Großkrane und 38 Hilfskrane im Einsatz. 450 Module mit maximal 600 Tonnen Gewicht werden abgeholt. Mit Hydraulikzylindern klettern die Schwerlastlogistiker bei letzterem fünf 40 Meter hohe Module mit 2.200 bis 2.700 Tonnen in die Höhe, während Stahlblöcke das Gewicht in Position halten. Wie man es auch dreht und wendet, die Tendenz geht zu immer größerer und immer schwererer Modularisierung, konstatierte Libert.

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Am Drücker: Peter Libert von Sarens


Ein Redner ragte ganz besonders heraus mit seinem saloppen und sympathischen Vortragsstil. Thomas Hierl von der Linde AG schilderte eindrucksvoll, wie er und sein Team eine komplette Ofenstraße in nur 33 Tagen demontiert und in einer irrwitzig anmutenden Kombination einzelner Maßnahmen wie SPMTs, Hübe und Verschübe neue Öfen eingebracht haben. „Die Innovation liegt in der konsequenten Kombination all dieser Methoden, um eine maßgeschneiderte Lösung zu finden“, so der Engineering-Experte.

2.300 Tonnen wog ein Ofen, 56 Meter hoch – und jeder Tag Überziehung hätte mit 500.000 Euro zu Buche geschlagen. „Das ist ein ziemliches Anlagen-Gemetzel“ (die Zuhörer lachen), „aber eine tolle Geschichte. Als wir dann zwei Tage früher fertig waren als geplant, haben wir uns gefreut wie’n Schnitzel!“, entfährt es dem Bayer. Die Lacher und den Applaus hatte er nicht nur damit auf seiner Seite. Was das Schlimmste an dem Projekt gewesen ist? „Am Ende gab es Currywurst aus Designer-Porzellanschälchen. Das war übel“, entfährt es Hierl.

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Auch zwei neue Zugmaschinen waren ausgestellt


TRUCKS & TRAILER
Den zweiten Veranstaltungstag leiten traditionell stichwortartige News aus dem Schwerlastbereich sowie Innovationen bei Trucks, Trailern und Spezialfahrzeugen ein, zusammengefasst von Professor Poelke. Obwohl - ursprünglich hatte er an eine Podiumsdiskussion der Hersteller gedacht, doch „in der Branche knistert es etwas“. Von der Doppelquerlenkerachse (Doll) und Faymonvilles Konzept der Interoperabilität über Greiner, Goldhofer, MAN, Merecdes Benz, die Tii-Gruppe bis hin zum Windkraft-Fokus von Nooteboom für die IAA - allenthalben zeigen sich interessante Neuentwicklungen.

STRAHLENDE AUSSICHTEN?
Im AKW-Rückbau liegt sicher Potenzial für die Branche - nur wann ist es soweit?, fragt Poelke mit Hinblick auf die Politik. Salopp, flott, bestimmt und freundlich führt Poelke durch die Veranstaltung. Peter Stöttinger von Felbermayr schildert den Kampf mit der Brücke, „dem natürlichen Feind des Schwertransports“. Ein an Brisanz zunehmendes Thema, da die Lasten schwerer und die Brücken nicht jünger werden.

Verjüngt beziehungsweise neu erfunden hat sich die Firma Vollmert, vertreten durch Gründersohn Adrian Vollmert, Jahrgang 1977. Er legt etwas abstrakt und anglizismenlastig dar, wie seine Firma sich zum Full-Service-Dienstleister entwickelt hat. Sein Fokus gilt klar der Projektierung, denn da wird der Grundstein gelegt für den Erfolg eines Projektes, so sein Credo.

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Uwe Wenzel und Ralf Borchardt im verbalen Tandemhub: Sie berichteten über den Rückbau von AKWs


Den Rückbau eines Atomkraftwerks rücken dann gemeinsam Uwe Wenzel von Mammoet Deutschland und Ralf Borchardt von den Energiewerken Nord in den Blickpunkt. Konkret geht es um den Transport von Reaktoren des AKW Greifswald ins Zwischenlager Nord, das direkt nebenan liegt. In ihrem früheren Leben lieferten sie 11 Prozent der Stromerzeugung der DDR.

Auch wenn Borchardt das „heiße Eisen“ Atomkraft vielleicht etwas sprachlich vernebelt, indem er von abklingen statt radioaktiv strahlen oder von Restwärme abtragen lassen durch die Natur spricht: Gemeint ist jahrtausendelanges Vor-Sich-Hin-Strahlen - im Fall von Uran Milliarden Jahre... Zumindest mussten aus diesem Grund Strahlungswertvorgaben eingehalten werden, der Einsatz zeichnet sich durch einen hohen Aufwand an Personal und Technik aus - vom Strahlenpass bis zum polizeilichen Führungszeugnis.

Das Gewicht des abgeschirmten Reaktors summiert sich auf 354 Tonnen - damit ist der 250-Tonnen-Hallenkran überfordert, und so kommt Mammoet ins Spiel. Mit einem speziellen Hubgerüst, einem Litzenhebeportal wird er abgesenkt, dann erfolgt das Verschlitten auf einer zuvor installierten Verschubbahn, dann wieder die Aufnahme mit dem 1.100 Tonnen tragenden Hubgerüst vom Typ SBL1100, anschließend die Übergabe an SPMTs. Für den Transport über die Strecke von 2,6 Kilometern werden jeweils 8 Tage benötigt. Dann endlich kann der Reaktor ins Zwischenlager eingebracht werden. Kommentar Poelke zu den Fotos: „Die Leute haben ja wirklich alle gestrahlt auf dem Bild!“

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Prof. Dr.-Ing. Jürgen-Michael Poelke von der Fachhochschule Potsdam


Schade, dass das Referat von ALE Heavylift zur Einsatzoptimierten Großkranentwicklung ohne Angabe von Gründen ausfällt. Abschließend erläutert Bernhard Schaaf von MWS Leasing, wie sich Großgeräte auch in schwierigen Zeiten finanzieren lassen - zu welchen Bedingungen, Laufzeiten usw. Denn da, bei den längeren Finanzierungslaufzeiten, liege oft der Knackpunkt.

Zwei Jahre lang kann sich all das nun setzen - bis zur 9. Internationalen Schwerlasttagung im Jahr 2012.

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